Texte
Giovanni Tamanaco
Gedanken beim Betrachten des Bildes Dreiklang
vierteilig, je 50 x 150 cm, Acryl auf Leinwand, 2006
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Analogie und Diskrepanz, miteinander ins Spiel gebracht auf den vier schmal gehaltenen Bildflächen.

Die Wiederholung, das wieder Zurückholen des schon Enteilten: Gleichmaß der Wellenbewegungen, die aus dem Horizont auftauchend einander zahllos folgen, angeglichen in lauter Ähnlichkeit voll angedeuteter Varianz; eckiger Rundlauf von Pleuelstangen in bewegter Flucht aus dem Bildraum - aber auf der Flucht gestellt; schwingende und kreisende Bewegungsverläufe eines bereits aus jedem Abbild entschwundenen Tanzpaares; Blütenfolge kantiger Seerosen.

Unvermittelt, anstößig konfrontiert im Mittelteil oder am Beginn oder Ende der Bildfläche mit Schwarzlinien.

Schmallinien variierend von verschimmernd gekratzt über Grau bis Dunkelschwarz. Linienverläufe ohne Anhaltspunkt, in höchster Eile, davonschwingend, aber auch für Momente um sich kreisend, als sei der Ausweg aus dem Bildraum verstellt.

Ebensogut, auf harter Weißfläche, könnten diese Schwarzlinien auch Schriftzeichen sein, deren Bedeutung uns ins Auge spränge, wüssten wir das Wörterbuch der Sprache, der sie entstammen könnten.

Aber Bedeutung muss uns nicht einfallen, genug ist schon, die Unruhezeichen wirken zu lassen und zu entdecken, welche Bewegtheiten sie preisgeben aus dem Malprozess, den die Malerin Anne Kolvenbach gerade in diesem Augenblick, in dem wir uns der Bildfolge nähern, unterbrochen zu haben scheint: die Bilder sind noch nicht in der Ruhe einer Arbeitspause zum Stehen gekommen. Sie tanzen im Auge des Betrachters.

Aber Diskrepanz - in ein und demselben Bild öffnen sich, unbekümmert um alle Aufgeregtheiten der Schwarzlinien, unausschreitbare Räume, elementar und sphärisch.

Kein Abbildungsversuch, kein Wiedererkennen der Dinge und Wirklichkeiten, aus welcher der Betrachter sich beim Blick auf die Bilder entfernt. Statt dessen Konfrontation mit Farbigkeiten, Formen und Fließbewegungen - und zugleich: Synästhesie wird im Schauen alles Ton, Farben und Formen schlagen im Ohr des Betrachters aneinander und erzeugen Ton, Musik, Rhythmus, Melodie und Paukenschlag, Sphärenklang und Kreischton.

Das Bild spielt im Betrachter, der Betrachter bleibt im Bild.

© Giovanni Tamanaco
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